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Relevante BAG Entscheidungen aus 2020

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Arbeitsrechtliche Berichterstattung von Julia Sontheimer

2020 hat das BAG eine Reihe von Entscheidungen gefällt, die hohe Relevanz für die Praxis haben. Nachfolgender Überblick fasst die wichtigsten Entscheidungen aus dem Jahr 2020 zusammen.

Julia Sontheimer, Fachanwältin für Arbeitsrecht, informiert regelmäßig über praxisrelevante arbeitsgerichtliche Entscheidungen.

Die Themen aus 2020 im Überblick:

1. Fahrzeiten von Außendienstmitarbeitern müssen vom Arbeitgeber vergütet werden
2. Anhörung des Betriebsrats bei außerordentlicher Kündigung
3. Änderung der Rechtsprechung zum Annahmeverzugslohnrisiko
4. Gesetzliche Kündigungsfrist bei Geschäftsführer-Dienstverträgen
5. Auskunftsanspruch einer freien Mitarbeiterin nach dem Entgelttransparenzgesetz
6. Entgelttransparenzgesetz: Anspruch des Betriebsrats im Hinblick auf Bruttoentgeltlisten
7. „Crowdworker“ können auch Arbeitnehmer sein

1. Fahrzeiten von Außendienstmitarbeitern müssen vom Arbeitgeber vergütet werden
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2020 - 5 AZR 36/19

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 18.03.2020 entschieden, dass die Fahrzeiten eines Außendienstmitarbeiters zu den Kunden vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen. Das gilt unabhängig davon, ob die Fahrten vom Betriebssitz oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus angetreten werden bzw. an dem einen oder anderen Ort enden.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hat ein Servicetechniker, der im Außendienst beschäftigt war, gegen seinen Arbeitgeber geklagt und geltend gemacht, die Zeiten für An- und Abfahrten zum ersten bzw. vom letzten Kunden seinem Zeitkonto gutzuschreiben, hilfsweise abzugelten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft dynamischer Bezugnahmeklausel Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen Anwendung. Der Tarifvertrag sah eine Regelung vor, wonach sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

Im Betrieb des Arbeitgebers bestand eine Betriebsvereinbarung, die regelte, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten.

Das BAG stellte zunächst fest, dass die Fahrzeiten zu den Kunden Arbeitszeiten sind, die vergütet werden müssen, und das unabhängig davon, ob sie von zuhause oder von Firmensitz erfolgen.

Zudem sind nach Ansicht des BAG Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, welche die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, wegen Verstoßes gegen den Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.

Die Vergütungspflicht von Fahrtzeiten kann nicht mehr in einer Betriebsvereinbarung eingeschränkt werden. Die bestehenden Betriebsvereinbarungen sollten geprüft werden, ob diese unwirksame Regelungen enthalten. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel vorsieht. Es besteht auch weiterhin die Möglichkeit, individuelle Vergütungsregelungen bezüglich der Fahrten zu den auswärtigen Kunden in den Arbeitsverträgen zu treffen.

2. Anhörung des Betriebsrats bei außerordentlicher Kündigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.05.2020 – 2 AZR 678/19

In seinem Urteil vom 07.05.2020 hat das BAG festgestellt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung weder über einen tariflichen Sonderkündigungsschutz bezüglich der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers noch über die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 II BGB informieren muss.

In dem vom BAG entschiedenen Fall stritten die Parteien unter anderem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Betriebsrat wurde zu der Kündigung angehört. Der Arbeitnehmer hat sich im Kündigungsschutzverfahren darauf berufen, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, da der Betriebsrat nicht über den tariflichen Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers und die Wahrung der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB informiert wurde.

Das BAG entschied, dass die Kündigung nicht gemäß § 102 I 3 BetrVG unwirksam war. Der Arbeitgeber musste den Betriebsrat weder über einen Sonderkündigungsschutz unterrichten noch Ausführungen zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 II BGB machen.

Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 I 2 BetrVG reicht nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess. Der Betriebsrat muss durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden, sachgerecht, ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können.

Dem Betriebsrat werden keine Einwände abgeschnitten, wenn er nicht über den tariflichen Sonderkündigungsschutz und ordentliche Unkündbarkeit informiert wird, da die Option einer fristlosen Kündigung möglich war. Der Arbeitgeber muss auch keine gesonderten Ausführungen zu der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 II BGB machen. Ein solches Erfordernis überdehnt die Zwecke des Anhörungsverfahrens.

Die Anhörung des Betriebsrats dient nicht dazu, ihm eine selbstständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu ermöglichen. Macht der Arbeitgeber freiwillig weitere Angaben, z.B. zur Kündigungserklärungsfrist, müssen diese der Wahrheit entsprechen.

3. Änderung der Rechtsprechung zum Annahmeverzugslohnrisiko
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.05.2020, 5 AZR 387/19

In seinem Urteil vom 27.05.2020 entschied das BAG, dass der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer im Falle, dass dieser Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge hat.

In den Kündigungsschutzverfahren sind die Arbeitgeber oft dem Risiko ausgesetzt, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist und sie für die Dauer des Gerichtsprozesses den sog. Annahmeverzugslohn zahlen müssen. Die Möglichkeiten zur Reduzierung der Annahmeverzugslohnrisiken sind in § 11 Nr. 1 und 2 KSchG vorgesehen. Danach muss sich der Arbeitnehmer auf den Annahmeverzugslohn das anrechnen lassen, was er durch die anderweitige Arbeit verdient hat oder was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.

Da der Arbeitgeber regelmäßig weder darlegen noch beweisen konnte, dass der Arbeitnehmer überhaupt anderweitigen Verdienst hatte und auch keine Angaben zur Höhe des anderweitigen Erwerbs machen konnte, lief diese gesetzlich vorgesehene Anrechnungsmöglichkeit faktisch leer.

Das BAG änderte seine Rechtsprechung und stellte fest, dass der Arbeitgeber Auskunft über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung verlangen kann. Ein solcher Auskunftsanspruch ergibt sich nach Ansicht des BAG aus § 242 BGB. Erteilt der Arbeitnehmer die geforderte Auskunft, muss der Arbeitgeber weiterhin darlegen und beweisen, dass sich der Arbeitnehmer böswillig einer Verdienstmöglichkeit entzogen hat und dass die angebotene Arbeitsstelle zumutbar war.

Durch die Anerkennung des Auskunftsanspruchs reduziert sich für die Arbeitgeber das Annahmeverzugsrisiko in den Kündigungsschutzprozessen. Nicht beantwortet wurde aber die Frage, wann eine dem Arbeitnehmer von der Agentur für Arbeit angebotene Arbeit für diesen auch zumutbar ist.

4. Gesetzliche Kündigungsfrist bei Geschäftsführer-Dienstverträgen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.6.2020, 2 AZR 374/19

Das BAG entschied in seinem Urteil vom 11.06.2020, dass die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, aus § 621 BGB folgt und lehnte die (analoge) Anwendung des für Arbeitsverhältnisse maßgeblichen § 622 BGB ab. Geklagt hat eine Geschäftsführerin, die sich darauf berufen hat, dass sie eine Arbeitnehmerin war. Hilfsweise beantragte sie festzustellen, dass für ihr Vertragsverhältnis die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 BGB und nicht die Fristen nach § 621 BGB gelten.

§ 621 BGB regelt die Kündigungsfristen für Dienstverhältnisse und knüpft bei der Bemessung der Fristen daran, für welchen Zeitabschnitt die vereinbarte Vergütung bemessen ist. Die Dauer des Dienstverhältnisses spielt hierbei keine Rolle. § 622 stellt dagegen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses ab.

Mit der zunehmenden Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängern sich auch die Kündigungsfristen. In dem vom BAG entschiedenen Fall haben die Parteien im Anstellungsvertrag die Frist für dessen ordentliche Kündigung nicht eigenständig geregelt, sondern lediglich auf "die gesetzliche Kündigungsfrist" Bezug genommen.

Das BAG stellte fest, dass der zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag nicht als Arbeitsvertrag, sondern als freier Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Die gesetzlichen Kündigungsfristen für die Anstellungsverhältnisse der GmbH-Geschäftsführer sind in § 621 BGB geregelt. Ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, kann sich nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen.

§ 622 BGB ist - seinem Wortlaut entsprechend - nur auf die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse anwendbar. Auch eine analoge Anwendung des § 622 BGB kommt nicht in Betracht. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung in § 621 BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der Norm auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zulassen könnte.

Obwohl es in der Vergangenheit zwei ältere Entscheidungen des BGH gab, die bei den Geschäftsführern-Verträgen auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 BGB abgestellt haben und auch mehrere Urteile der Instanzgerichte, die dieser Rechtsprechung gefolgt sind, hat sich das BAG ausdrücklich in Widerspruch zu dieser Praxis gesetzt. Die Vorschrift des § 622 BGB ist nur auf die Arbeitsverhältnisse anwendbar. Eine analoge Anwendung auf die Dienstverhältnisse kommt nicht in Frage, da für die Kündigung von Dienstverhältnissen eine ausdrückliche Regelung in § 621 BGB vorgesehen ist.

Es ist nach Ansicht des BAG rechtlich ohne Bedeutung, ob das Fristenregime in § 622 BGB als interessengerechter anzusehen ist, als die Kündigungsfristen des § 621 BGB.

Die Entscheidung ist sehr praxisrelevant. Da die Streitigkeiten von Geschäftsführern häufig vor den Zivilgerichten verhandelt werden, bleibt es aber abzuwarten, ob diese auch weiterhin die ältere Entscheidung des BGH anwenden oder sich der aktuellen Rechtsprechung des BAG anschließen. Empfehlenswert ist es in den Verträgen die Kündigungsfristen eindeutig zu regeln und nicht lediglich auf die „gesetzlichen Fristen“ zu verweisen.

5. Auskunftsanspruch einer freien Mitarbeiterin nach dem Entgelttransparenzgesetz
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.06.2020 - 8 AZR 145/19

Das Bundesarbeitsgericht hat am 25.06.2020 ein Grundsatzurteil zum Entgelttransparenzgesetz gefällt. Danach fallen auch arbeitnehmerähnliche Personen unter das EntgTranspG und haben einen individuellen Auskunftsanspruch.

Geklagt hat eine Journalistin des ZDF, die dort als freie Mitarbeiterin tätig war, da sie erfuhr, dass ihre männlichen Kollegen für die gleiche Tätigkeit mit weniger Betriebszugehörigkeit und Berufserfahrung bei ZDF besser verdienen als sie.

Die Journalistin klagte ursprünglich auf eine Entschädigung wegen der Diskriminierung und beantragte festzustellen, dass zwischen ihr und ZDF ein Arbeitsverhältnis bestand. Die beiden Vorinstanzen wiesen die Klage ab, da sie keine strukturelle Diskriminierung erkennen konnten. Ferner verneinten die Vorinstanzen einen Auskunftsanspruch nach EntgTranspG, da dieses nur auf Arbeitnehmer und nicht auf freie Mitarbeiter anwendbar ist.

In der Revisionsinstanz verfolgte die Journalistin nur den Auskunftsanspruch weiter. Das BAG stellte fest, dass der Journalistin ein Auskunftsanspruch nach EntgTranspG zusteht. Die Journalistin kann die Auskunft über die durchschnittliche monatliche Vergütung der männlichen Kollegen verlangen. Ein solcher Auskunftsanspruch kann im Einzelfall auch den arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen. Der Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG muss nach Ansicht des BAG unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit ausgelegt werden.

Die im EntgTranspG verwendeten Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ dürfen nicht nach rein nationalem Rechtsverständnis ausgelegt werden. Das EntgTranspG setzt die europäische Richtlinie um, mit der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verwirklicht werden soll.

Die zwingend erforderliche Umsetzung Europäischen Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt ist im deutschen Recht erst mit dem EntgTranspG erfolgt. Das führt nach Ansicht des BAG dazu, dass der Arbeitnehmerbegriff weit zu verstehen ist und auch arbeitnehmerähnliche Personen erfasst.

Mit der Entscheidung des BAG ist nun höchstrichterlich geklärt, dass der Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG nicht nur den fest angestellten Arbeitnehmern, sondern auch den arbeitnehmerähnlichen Personen zusteht.

6. Entgelttransparenzgesetz: Anspruch des Betriebsrats im Hinblick auf Bruttoentgeltlisten
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.07.2020 - 1 ABR 6/19

Das Bundesarbeitsgericht hat am 28.07.2020 entschieden, dass der Betriebsrat kein Einsichts- und Auswertungsrecht in die Entgeltlisten hat, wenn der Arbeitgeber es selbst übernimmt, die Auskunftsersuche nach EntgTranspG zu beantworten.

Grundsätzlich ist nach dem EntgTranspG der Betriebsrat für die Beantwortung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten zuständig und darf für die Zwecke in die Bruttoentgeltlisten des Arbeitgebers einsehen und auswerten. Dieses Einsichts- und Auswertungsrecht besteht nicht, wenn der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung generell oder in bestimmten Fällen übernommen und die Gründe hierfür gegenüber dem Betriebsrat erläutert hat. Diese Möglichkeit ist für den Arbeitgeber in § 14 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG vorgesehen.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hat der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten generell übernommen. Über die geltend gemachten Auskunftsverlangen informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat und gewährte ihm Einblick in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten. Diese waren nach Geschlecht aufgeschlüsselt und wiesen sämtliche Entgeltbestandteile auf. Der Betriebsrat verlangte weiterhin, dem bei ihm gebildeten Betriebsausschuss die Listen in bestimmten elektronischen Dateiformaten, hilfsweise in einer anderen auswertbaren (Papier-)Form zur Auswertung zu überlassen und stützte dieses Verlangen auf § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG.

Das BAG stellte fest, dass dem Betriebsrat kein Einsichts- und Auswertungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber die Auskunftsansprüche selbst beantwortet.

Der Arbeitgeber hat nach dem EntgTranspG die Möglichkeit, individuelle Auskunftsansprüche von Beschäftigten selbst zu beantworten, wenn er dies zuvor gegenüber dem Betriebsrat erläutert hat. Hat der Arbeitgeber diese Aufgabe an sich gezogen, schuldet er gegenüber dem Betriebsrat lediglich die umfassende und rechtzeitige Information über die Auskunftsverlangen und seine Antwort. Ein Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrates besteht in diesem Falle nicht.

7. „Crowdworker“ können Arbeitnehmer sein
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.12.2020 - Az. 9 AZR 102/20

Das Bundesarbeitsgericht hat am 01.12.2020 entschieden, dass die „Crowdworker" in manchen Fällen Arbeitnehmer sein können.

In dem vom BAG entschiedenen Fall wurde eine sog. Crowdsourcing-Plattform, welche verschiedene Aufträge ihrer Kunden an die sog. Crowdworker vermittelte, von einem Crowdworker verklagt. Dieser machte in seiner Klage geltend, dass zwischen ihm und der Plattform ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist.

Das BAG entschied, dass der Crowdworker in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistete.

Für das Vorliegen des Arbeitsverhältnisses sprach hier nach Ansicht des BAG das von der Online-Plattform geschaffene Anreizsystem. Der Auftraggeber konnte hier über die von ihm betriebene Plattform steuern, dass der Crowdworker seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten konnte.

Zwar war der Crowdworker vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Plattform verpflichtet, die Organisationsstruktur der von der Crowdsourcing-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass die angemeldeten Nutzer der Plattform über einen Account kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen konnten, um diese persönlich zu erledigen. Mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhte sich das Level im Bewertungssystem. Ein höheres Level führte dabei dazu, dass es den Crowdworker möglich war, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem wurde der Crowdworker dazu veranlasst, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.

Das BAG stellte in seinem Urteil zwar fest, dass in diesem konkreten Fall zwischen der Vermittlungsplattform und dem Crowdworker ein Arbeitsverhältnis bestand, sagte aber nicht, dass die Crowdworker per se als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Es kommt auch weiterhin stets auf die Würdigung der Einzelfallumstände an. Das Geschäftsmodel bleibt aber risikobehaftet und müsste überprüft und ggf. umgestellt werden.


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Julia Sontheime
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