Aktuelles BAG-Urteil: Handlungsbedarf für in Deutschland ansässige Vermittler von ausländischen Pflegekräften

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Arbeitsrechtliche Berichterstattung von Julia Sontheimer

Julia Sontheimer, Fachanwältin für Arbeitsrecht, informiert regelmäßig über praxisrelevante arbeitsgerichtliche Entscheidungen.

Aktuelles BAG-Urteil vom 24.06.2021 (Az.: 5 AZR 505/20)

Noch steht die schriftliche Urteilsbegründung aus – eines ist aber schon jetzt klar: In Deutschland ansässige Vermittler von ausländischen Pflegekräften haben Handlungsbedarf. Ausländische Pflegekräfte haben einen Anspruch auf Mindestlohn, selbst für die Bereitschaftszeiten. Es können hohe Nachzahlungsansprüche drohen. Da die Pflegekräfte häufig bei den zu pflegenden Personen im Haushalt wohnen, muss unter anderem klargestellt werden, welche Zeiten als aktive Arbeitszeiten oder Bereitschaftszeiten einzustufen sind und welche Zeiten als Freizeit gelten.

Der Hintergrund:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich ein Grundsatzurteil zur Vergütung von ausländischen Pflegekräften gefällt.

In seinem Urteil vom 24.06.2021 (Az.: 5 AZR 505/20) entschied das BAG, dass die ausländischen Pflegekräfte, die Personen in Privathaushalten in Deutschland betreuen, einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben und zwar auch für die Zeiten des Bereitschaftsdienstes.

Geklagt hat eine Pflegerin mit bulgarischer Staatsangehörigkeit, die ihren Wohnsitz in Bulgarien hatte. Die Klägerin war seit 2015 bei einem bulgarischen Unternehmen beschäftigt und hatte einen bulgarischen Arbeitsvertrag, in welchem 30 Stunden wöchentlich als Arbeitszeit vereinbart waren. Das bulgarische Unternehmen entsandte die Pflegerin nach Berlin, wo sie eine 90-jährige Person betreute und bei dieser auch wohnte. Zu den Aufgaben der Pflegerin gehörten neben Haushaltstätigkeiten (wie Einkaufen, Kochen, Putzen etc.) eine „Grundversorgung“ (wie Hilfe bei der Hygiene, beim Ankleiden etc.) und soziale Aufgaben (zB Gesellschaft leisten, Ansprache, gemeinsame Interessenverfolgung). Sie erhielt dafür eine Nettovergütung in Höhe von 950,00 Euro monatlich.

Die Pflegerin hielt diese Vergütung für ungerechtfertigt und erhob unter Berufung auf das Mindestlohngesetz eine Klage auf weitere Zahlungen. In ihrer Klage machte sie geltend, dass sie nicht nur 30 Wochenstunden, sondern rund um die Uhr gearbeitet hat oder in Bereitschaft war. Selbst nachts musste die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben, damit sie auf Rufen der zu pflegenden Person reagieren konnte.

In ihrer Klage hat die Pflegerin für den Zeitraum Mai bis August 2015 und Oktober bis Dezember 2015 eine Zahlung in Höhe von 42.636,00 Euro brutto abzüglich erhaltener 6.680,00 Euro netto nebst Prozesszinsen geltend gemacht.

Das BAG entschied, dass die Pflegerin einen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 20 iVm. § 1 MiLoG gegen ihren Arbeitgeber hat.

Das BAG stellte weiterhin fest, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns auch ausländische Arbeitgeber trifft, wenn sie ihre Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Bei den Vorschriften des Mindestlohngesetzes handelt es sich nach Ansicht des BAG um sog. Eingriffsnormen.

Eine Eingriffsnorm ist gemäß Art. 9 Art. 1 Rom I-VO eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.

Die Eingriffsnormen gelten unabhängig davon, ob auf das Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht Anwendung findet.

Der Arbeitgeber muss zudem auch für die Bereitschaftszeiten den Mindestlohn zahlen. Der Bereitschaftsdienst kann nach Ansicht des BAG auch darin bestehen, dass die Pflegehilfe im Haushalt der zu pflegenden Person wohnen muss.

Das BAG hat den Fall jedoch zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg verwiesen, der sich mit dem Sachverhalt jetzt nochmal befassen muss. Das BAG bemängelte, dass der Umfang der von der Pflegekraft geleisteten Arbeit nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Zwar hat das LAG zu Recht angenommen, dass die Pflegerin eine 24-Stunden-Betreuung leisten musste, für die Annahme des LAG, dass diese täglich drei Stunden Freizeit gehabt haben soll, fehlte es aber an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten.

Fazit

Das Landesarbeitsgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären, um feststellen zu können, in welchem Umfang die Pflegerin voll gearbeitet oder jedenfalls Bereitschaftsdienst geleistet hat und wie viele Stunden Freizeit sie hatte. Fest steht jedoch, dass die nach Deutschland entsandten Pflegekräfte einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben und dieser auch für Bereitschaftszeiten gilt. Um Verstöße gegen das Mindestlohngesetz zu vermeiden, müssen in Deutschland ansässige Vermittler von Pflegekräften also kurzfristig aktiv werden und ggf. ihre Verträge anpassen.

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Julia Sontheimer
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